Die äthiopische Kaffeezeremonie
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Erzählung von Almaz Böhm
Auszug aus dem Buch: „Kein Weg zu weit – Mein Leben zwischen Afrika und Europa“
Wie meine Großmutter so bereiten die äthiopischen Frauen täglich in einer sorgfältigen Zeremonie den Kaffee zu, denn in Äthiopien wird der Kaffee nicht einfach getrunken, sondern zelebriert.
Unbestritten ist, dass Äthiopien das Heimatland des Kaffees ist. Jedoch gibt es die verschiedensten Legenden, wie der Kaffee dort entdeckt wurde. Die am weitesten verbreitete ist, dass die Menschheit die Entdeckung des Kaffees dem merkwürdigen Verhalten äthiopischer Bergziegen zu verdanken hat: Vor mehr als tausend Jahren sollen Hirten im abessinischen Hochlande der Region Kaffa beobachtet haben, dass ihre Ziegen des Nachts außer Rand und Band gerieten und sie mit ihrem Gemeckere um den Schlaf brachten. Sie suchten Rat bei den Mönchen im nahe gelegenen Kloster, die herausfanden, dass dort, wo die Herde graste, baumartige Büsche mit kirschenähnlichen grünen, gelben und roten Früchten standen. Sie probierten von den Früchten und gerieten ebenfalls in Hochstimmung. Den Wahrheitsgehalt dieser Geschichte will zwar niemand beschwören, dennoch wird sie hartnäckig von Generation zu Generation weitergegeben.
Außerdem ist die Kaffeezeremonie ein wichtiges Zeichen der Gastfreundschaft. Wann immer ein Besucher ins Haus kommt, wird eine Kaffeezeremonie durchgeführt. Einem Gast keinen Kaffee anzubieten, aber auch umgekehrt, als Gast einen Kaffee abzulehnen, gilt als unhöflich. Darüber hinaus hat die Kaffeezeremonie eine wichtige soziale Bedeutung, besonders im Leben der Frauen. Wenn es zwischen Nachbarinnen oder Verwandten, zwischen Freundinnen oder Kolleginnen zu irgendwelchen Konflikten kommt, wird die Meinungsverschiedenheit bei einer Kaffeezeremonie diskutiert und ausgeräumt. Während einer Kaffeezeremonie wird so offen miteinander gesprochen wie zu keinem anderen Anlass. Meist erfolgreich; denn es kommt selten vor, dass sich bei einem Kaffee nicht eine Form von Verständnis entwickelt. So ist die Kaffeezeremonie nicht nur eine Alltagstradition, sondern auch eine überaus wichtige Geste von Versöhnung und Frieden.
Rohstoff für die Kaffeezeremonie sind die grünen, schon von ihrer roten Schale befreiten Kaffeebohnen. So liefert der Kaffeebauer sie beim Händler an. Die Rohkaffeebohnen werden zunächst in Wasser gewaschen und dann mit einem weichen Tuch oder aber den bloßen Händen trocken gerieben. Die so gesäuberten Bohnen werden in einer gewölbten Schale aus Blech oder Eisen aufbewahrt.
Als nächstes folgt das Rösten, wobei die Schale als Pfanne dient. Sie wird auf den Blechofen voll glühender Holzkohle gestellt, vor dem die Gastgeberin, meist die Hausfrau oder eine Tochter, manchmal auch eine Hausangestellte, auf einem Holzhocker sitzt. Um sich herum hat sie auf dem Boden frische Gräser ausgebreitet, die man in Bündeln auf dem Markt gekauft hat. Das Gras auf dem Boden symbolisiert die Verbundenheit der Bewohner mit der Natur. Und den Wunsch, dass es immer grün bleibt.
Die Frauen legen sich die Netala, den traditionellen Schal aus feinster Baumwolle, um Kopf und Schultern und machen sich andächtig an die Sache. Mit einem kleinen Strohfächer wird den Flammen im kleinen Ofen Luft zugewedelt. Die grünen Kaffeebohnen werden nun mittels eines Eisenhakens so lange auf der heißen Blechunterlage hin- und hergeschoben, bis sie den richtigen dunklen Farbton erreicht haben. Hier ist Geduld gefragt, da es seine Zeit dauert, bis die Bohnen richtig geröstet sind.
Währenddessen verbreitet sich ein köstlicher Duft im ganzen Raum. Ist der Röstvorgang abgeschlossen, wird die Schale mit den heißen Kaffeebohnen von der Gastgeberin in die Runde gereicht, damit jeder den Duft aufsaugen kann. Anschließend werden die heißen Kaffeebohnen in einen Holzmörser gegeben und mit einem Stößel rhythmisch zu feinem Kaffeepulver zerstoßen. Gleichzeitig wird auf dem Ofen das Wasser in einer Jebanna, der äthiopischen Kaffeekanne, aufgekocht. Die Jebanna ist ein bauchiges Tongefäß mit einem schmalen, hochgezogenen, oben offenen Hals und einem langen Schnabel. Sobald das Wasser kocht, wird das Kaffeepulver mit einem Löffel in der Öffnung des Kannenhalses gegeben.
Je nach Gewohnheit wird der erste Kaffee nun ein- bis dreimal aufgekocht, bis der Sud die richtige Stärke hat. In dieser Zeit werden einige Stückchen der glühenden Holzkohle auf ein krugartiges offenes Tongefäß gelegt und darauf wiederum ein paar kleine Brocken Weihrauch, die nun ihren unvergleichlichen Duft entwickeln. So wird die Feierlichkeit der Kaffeezeremonie betont. Durch den Raum zieht nun die sehr spezielle Duftmischung von geröstetem Kaffee, Holzkohle und Weihrauch, dazu der Dampf des köchelnden Wassers – ein sinnlicher Genuss. Zum Schluss wird auf der Holzkohle noch Popcorn oder Kollo, eine Mischung aus gestoßenen Gerstenkörnern und getrockneten Kichererbsen, geröstet. In manchen Gegenden Äthiopiens kochen die Frauen Gewürze mit. Das können Kardamomkörner oder Nelken sein. Auch eine Prise Salz, ein Stückchen Butter oder Milch werden mitgekocht.
Die auf einem Holztablett bereitstehenden, kleinen, henkellosen Mokkatässchen, oft mit hübschen Bemalungen, werden nun noch einmal mit heißem Wasser ausgewaschen, dann wird eine gehörige Portion Zucker hineingegeben, mindestens zwei kleine gehäufte Löffel. Nun ist der Augenblick gekommen, in dem der Kaffee aus der Jebanna eingeschenkt wird, und zwar aus einer Höhe von etwa 20 Zentimetern, vor allem aber mit einem Guss in alle Tassen, bis auch die letzte gefüllt ist.
Während nun alle genüsslich ihren Kaffee schlürfen, kocht die Gastgeberin den zweiten Sud auf. Drei Tassen sind bei der äthiopischen Kaffeezeremonie Pflicht – und jede hat ihre besondere Bedeutung. Die erste Tasse, die stärkste, dient dem reinen Genuss. Während der zweiten Tasse werden die akuten Probleme besprochen. Die dritte und letzte Tasse schließlich dient dem Segen der Anwesenden. Zu jeder Tasse wird Popcorn oder Kollo gereicht.
Das Entscheidende einer Kaffeezeremonie ist bei Weitem nicht der pure Kaffeegenuss, sondern der Akt des Zusammenkommens und des Miteinander-Redens. Noch stundenlang zieht der Kaffeeduft durchs Haus, der der Inbegriff von Geborgenheit und Gemeinschaft ist.
Dieser Artikel wurde uns freundlicher Genehmigung von Text und Bild der Menschen für Menschen - Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe / www.mfm.at überlassen.
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